Wiederaufforstung und Umweltbildung: Über 10 Jahre Partnerschaft der GRÜNEN LIGA mit Madagaskar

madagaskarSeit langem unterstützt die GRÜNE LIGA Osterzgebirge und der Regenwaldverein Ranoala Wiederaufforstungsprojekte im (ehemaligen) ostmadagassischen Regenwaldgebiet. Vor etwa zehn Jahren begann sich der Fokus allmählich von der reinen Waldarbeit hin zu Umweltbildungsprojekten zu erweitern. Daraus hat sich eine Schulpartnerschaft zwischen dem Glückauf-Gymnasium Altenberg und dem Lycée des madagassischen Dorfes Anjahambe entwickelt, vor allem aber eine wunderbare Partnerschaft zwischen engagierten Jugendlichen in beiden, weit entfernten Ländern. In Anjahambe ist der “Analasoa-Club” (analasoa = der gute Wald) aktiv, in Altenberg die “Madagaskar-AG”.

Den Aktivitäten auf beiden Seiten liegt das gleiche Prinzip zugrunde: erst gemeinsam praktisch arbeiten für die Natur, dann gemeinsam auf Reisen gehen, um mehr über die Natur zu lernen. Mehrmals im Jahr organisiert der Analasoa-Club Schülerpflanzeinsätze rund um den Restregenwald namens Analasoa. Dafür gibt es dann Mehrtagesexkursionen in gemieteten “Buschtaxis” zu bekannten madagassischen Nationalparks und anderen Schutzgebieten – finanziert über Spendengelder aus Dresden und dem Ost-Erzgebirge.

Die bis zu 25 Schüler pflanzen am Kahleberg Ebereschen, pflegen Wildhecken und beteiligen sich an praktischen Artenschutzmaßnahmen rund um Altenberg. Dafür gibt es dann einmal im Jahr eine größere Reise zu “Regenwald-Erlebnisorten in Mitteleuropa”: ins Gondwanaland Leipzig und zum Regenwaldmuseum Phyllodrom, zur “Biosphäre” Potsdam, und sogar zur Masoala-Halle des Züricher Zoos. 2019 war die Madagaskar-AG zu Besuch beim Bundesministerium für Enwicklungszusammenarbeit in Bonn und im Madagaskar-Haus des Zoos Köln.

Höhepunkte sind indes die persönlichen Begegnungen zwischen madagassischen und deutschen Schülern. 2018 konnten, nach Überwindung beträchtlicher bürokratischer Hürden, erstmals auch Jugendliche des Analasoa-Clubs ins Ost-Erzgebirge kommen. Und die Altenberger Schüler erwiesen sich als wunderbare Gastgeber. Zusammen am Kahleberg Bäume im Schnee pflanzen, ausgelassene Musikparty im Gymnasium, intensive Gespräche über gemeinsame Projekte … “Global denken – lokal handeln” in seiner besten Form!

Bericht Oktober 2022: Unsere Reise durch Madagaskar

Auf der Straße zwischen Tamatave und Andasibe. Das tiefdunkle Schwarz der Nacht umgibt unser Buschtaxi. Wir schaukeln durch die madagassische Provinz. Der Mercedes Sprinter düst über die von Bananenpflanzen und Ravenala-Bäumen gesäumte „Straße“, wobei man diesen Begriff nicht überbewerten darf. Jedes Schlagloch (und davon gibt es nicht wenige) wird durch die abgenutzte Federung direkt an uns weitergegeben.

Wir sitzen in der zweiten Reihe hinter dem Fahrer zu fünft auf vier Sitzen, hinter uns etwas mehr als ein Dutzend madagassischer Schüler. Sie singen lauthals die madagassischen Pop -Schlager mit, die aus dem Autoradio schallen. Mir wirft sich eine Frage auf: Ab wann kenne ich Madagaskar und die Madagassen wirklich? Denn so viel ist klar: Wir können nur Eindrücke aus unserer Perspektive erfahren: Aus der Perspektive eines „Vazahas“, wie es hier heißt: eines Weißen, eines Fremden auf dem 8. Kontinent. „Wir“, das sind Jens, der organisatorische Kopf des Ganzen, Marie, die aus Madagaskar stammt und in Dresden wohnt, mein Vater Mirko und wir Schüler: Niklas, Hannes und ich, Simon.

Die Wege auf Madagaskar sind lang. Kein Wunder, bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von nicht viel mehr als 30 km/h mit dem Buschtaxi. Im Dorf schlagen wir in einer Bambushütte unsere Zelte auf. Der örtliche Bach mit kleinem Wasserfall bildet das Bad.

Der Alltag sieht hier wie folgt aus: Mit dem ersten Hahnenschrei Aufstehen (meist ist das 4:00 in der Früh) und zum Frühstück Reis oder wahlweise auch gekochte Maniok-Wurzeln essen. Danach geht es zur Arbeit, beziehungsweise für die Kinder zur Schule. An einem Tag setzen Hannes, Niklas und ich uns auch mit in eine circa 40-köpfige Klasse. Die Ausstattung ist an vielen Stellen erschreckend, in der Decke sitzen die Fledermäuse, hinten im Klassenzimmer liegen zusammengebrochene Schulbänke. „Weil wir auf den Tischen tanzen!“, wie uns einer der Schüler auf Nachfrage ironisch lachend erzählt. Materiamangel an allen Ecken. Geld wird entweder vom Staat nicht zur Verfügung gestellt oder es versickert im Netz der Korruption.

Um Bestechlichkeit und Veruntreuung zu entgehen, braucht man vertrauenswürdige Kontakte vor Ort. Einer davon: Unser Waldarbeiter Julien, der den Projekt-Wald Analasoa pflegt. Für uns geht es direkt am Sonntag, dem Tag nach unserer Ankunft im Dorf, zum Baumpflanzeinsatz. Durch die unerwartet große Unterstützung von über 60 Schülern ist es keine Schwierigkeit, die anvisierte Fläche zu bepflanzen, und so gibt es pünktlich Mittagessen für alle: natürlich Reis! Die für uns verfügbaren Flächen sind nun schon fast alle aufgeforstet, und auch die natürliche Flora und Fauna kehrt zurück: In den Bäumen lebt eine riesige Flughunde-Kolonie. Einen Dämpfer bekommen wir jedoch noch ab. Auf dem Rückweg laufen wir einen kleinen Umweg und Julien führt uns zu einer kleinen Lichtung. Mitten im sprießenden Grün springen uns auf einmal die schwarz-grauen Hinterlassenschaften eines Holzkohlemeilers an! Das Verkohlen des nachwachsenden Rohstoffes mitten im Wald zu betreiben ist eine Tradition mit schwerwiegenden Folgen. Außer Kontrolle geratene Kohlemeiler sind einer der Hauptgründe für Waldbrände auf Madagaskar. Aber kann man es der madagassischen Bevölkerung verübeln, dass sie ihren Lebensunterhalt aufbessern möchte und dabei der Umweltschutz eben auch nicht immer an erster Stelle steht? Um solche zwangsweise entstehenden Konflikte zu lösen, führen wir mit allen am Wald beteiligten Seiten einen Workshop durch. Am Ende davon steht ein Vertragsentwurf, in dem alle Rechte und Pflichten geregelt sind. Ein großer Erfolg!

Den krönenden Abschluss unseres Besuchs bildet eine Exkursion in den Andasibe Nationalpark, ein Vorzeigeprojekt für Öko-Tourismus. Die 40 beteiligten Schüler selbst hätten sich solch eine Reise nie leisten können (die Benzinpreise in Madagaskar sind fast genauso hoch wie in Deutschland). Durch in Altenberg eingeworbene Spenden ist der Drei-Tages-Ausflug jedoch möglich. Die am Abend per Video festgehaltene Grußbotschaft für die Altenberger Schüler könnte madagassischer kaum sein: Ein Tanz zu dem Lied „We are One“!

Eine der Haupterkenntnisse der Reise für mich: Zwischen Madagaskar und Altenberg liegen zwar knapp 9000 km Entfernung und ein riesiger Berg an Lebensunterschieden, aber spätestens beim gemeinsamen Bäume pflanzen oder Fußball spielen schrumpft das Trennende und wächst das Verbindende. Kenne ich Madagaskar jetzt? Vermutlich noch nicht wirklich. Aber das ist auch nicht schlimm. Ein Grund mehr, der Großen Insel nochmal einen Besuch abzustatten.

Simon Kretzschmar