Die Forderung nach einer Wende im deutschen Bauwesen wird immer größer. Am letzten Wochenende erreichte eine Petition im Deutschen Bundestag zur Bauwende das nötige Quorum mit über 57.000 Mitzeichner*innen. Darin wird ein „umfassendes Maßnahmenpaket für ein klima- und sozialverträgliches Bauen“ gefordert. Die Gruppe „Architects for Future“ spricht sich in der Petition für einen nachhaltigen Wandel im Bausektor aus. Ab einer Mitzeichnung von 50.000 Unterstützer*innen muss es nun eine Anhörung im Petitionsausschuss des Bundestages geben. In der Petition wird unter anderem gefordert, dass der Marktpreis von Baumaterialien alle Umweltfolgekosten umfassen müsse und Bauprodukte kreislaufgerecht rückgebaut werden sollen, um sie nach Dekonstruktion wieder verwenden zu können.
„Das ist ein starkes Zeichen für eine längst überfällige Wende im Bauwesen. Die Menschen in Deutschland sind nicht mehr bereit, den Status quo hinzunehmen. Die Diskussion ist eröffnet und muss jetzt von der Bundesregierung aufgegriffen werden“, sagt Uli Wieland, von der Bundeskontaktstelle Gesteinsabbau der GRÜNEN LIGA.
Bereits Anfang 2020 hat eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) ergeben: Wenn das Neubauwachstum weiter anhält, werden Baustoffemissionen ein Fünftel der CO2-Emissionen bis 2050 ausmachen. Das Bauwesen gehört zu den ressourcenintensiven Wirtschaftszweigen. Alleine in Deutschland werden jährlich 517 Millionen Tonnen mineralischer Rohstoffe verbaut.
Wieland weist darauf hin, dass klimaverträgliches Bauen und ein verstärkter Einsatz von Recyclingbaustoffen nicht nur dem Klima nützt, sondern auch Regionen in Deutschland entlastet, in denen Sand, Kies und Gips abgebaut wird. „Deutschlandweit bemerken wir verstärkte Interessen der Gesteins- und Mineralindustrie, Abbaugebiete massiv auszuweiten. Das trifft auf erbitterten Widerstand in den Region. Von den Gipsfördergebieten im Südharz, den Sand- und Kiesgruben in Ostdeutschland bis hin zu denen am Rhein, an vielen Orten bilden sich Bürgerinitiativen, die gegen die Industrieinteressen aufbegehren“, sagt Wieland: „Eine Wende im Bauwesen könnte auch zu einen Befriedung in den betroffenen Regionen führen“. Mit der „Erfurter Erklärung“ vom August 2020 hatte die GRÜNE LIGA zusammen mit lokalen Initiativen bereits einen umfassenden Forderungskatalog vorgelegt.
„Klimaschutz im Bausektor muss endlich als Chance betrachtet werden. Alternative Lösungen liegen bereit“, erklärt der Sprecher der Bundeskontaktstelle Gesteinsabbau: „Wenn beispielweise REA-Gips aus Kohlekraftwerken im Zuge des Kohleausstieges wegfällt, wäre es ein Irrweg mit katastrophalen Folgen für den Südharz, wenn dort von Seiten der Industrie versucht wird, die wegfallenden Gipsmengen durch massiven Abbauerweiterungen zu kompensieren“, so der Gesteinsexperte Wieland. Eine Fachtagung der GRÜNEN LIGA im letzten November hatte ergeben, dass für den Bereich Gips durch Recycling, Nutzung von Alternativbaustoffen und eine Änderung von Bauvorschriften eine Ausweitung der Gipstagebaue verhindert werden kann.
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Mehr Informationen
Petition von „Architects for Future“ im Deutschen Bundestag: „Umfassendes Maßnahmenpaket für ein klima- und sozialverträgliches Bauen“
https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2020/_11/_23/Petition_118228.nc.html
Studie Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung
https://www.pik-potsdam.de/de/aktuelles/nachrichten/gebaeude-koennen-zu-einer-globalen-co2-senke-werden-mit-dem-baustoff-holz-statt-zement-und-stahl
Erfurter Erklärung. Initiativen aus ganz Deutschland legen Forderungskatalog zur Eindämmung des industriellen Abbaus von Sand, Kies und Gips vor
https://www.grueneliga.de/index.php/de/themen-projekte/gesteinsabbau/958-erfurter-erklaerung-verabschiedet-initiativen-aus-ganz-deutschland-legen-forderungskatalog-zur-eindaemmung-des-industriellen-abbaus-von-sand-kies-und-gips-vor
Erfolgreiche Tagung "Bedarf an Naturgips in Deutschland"
https://www.grueneliga.de/index.php/de/30-aktuell/985-erfolgreiche-tagung-bedarf-an-naturgips-in-deutschland
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Die „Erfurter Erklärung“ wurde mit Unterstützung der Bewegungsstiftung erstellt
Die Gips-Fachtagung wurde als Teil eines Projektes durch das Umweltbundesamt und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gefördert. Die Mittelbereitstellung erfolgt auf Beschluss des Deutschen Bundestages.