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Hochwasser

  • Flussauen
  • EU-Richtlinie
  • Umsetzung in DE
  • Artikelgesetz 2005
  • Beispiel Sachsen

Hochwasser gehören zur natürlichen Dynamik von Fließgewässern. Sie kehren in unregelmäßigen Abständen und unterschiedlicher Ausprägung wieder und können das Bett und den Lauf eines Gewässers sowie dessen Überflutungsbereiche landschaftsprägend umgestalten. Bach- und Flussauen gehören zu den besonders artenreichen, aber auch besonders gefährdeten Lebensräumen Mitteleuropas.In den oft dicht besiedelten Flusstälern in Deutschland geht von Hochwassern zugleich eine hohe Gefahr für Siedlungen und Infrastruktureinrichtungen aus. Während außerhalb von Ortschaften mehr Raum für die natürliche Überflutungsdynamik geschaffen werden sollte, zielt das Hochwasserrisikomanagement im besiedelten Raum auf die Minimierung von Schäden durch Überflutungen ab. Der technische Hochwasserschutz mit Eindeichungen und Stauhaltungen ist ein klassisches Konfliktfeld für den Gewässerschutz, insbesondere durch die europäische Richtlinie zum Hochwasserrisikomanagement wird künftig jedoch eine bessere Abstimmung zwischen beiden Handlungsfeldern gefordert.

Flussauen

  • Zustand der Flussauen in Deutschland
  • Online-Kartendienst "Flussauen in Deutschland" des BfN
  • Ökosystemleistungen von Flussauen
  • Relevanz der Wasserrahmenrichtlinie für Auen

Auen sind die natürlichen Überschwemmungsgebiete entlang von Gewässerläufen. Auen sind daher integraler Bestandteil von Bach- und Flussökosystemen. Die durch Hochwasserdynamik geprägten und immer wieder umgestalteten Auenlandschaften bieten ein vielfältiges Mosaik von Lebensräumen von trocken bis nass und gehören deswegen zu den "Hotspots" der Artenvielfalt. Wie das WWF-Aueninstitut festgestellt hat, beherbergen Auen zwei Drittel der Lebensgemeinschaften Mitteleuropas auf nur sieben Prozent der Fläche. Auengewässer sind zudem die Kinderstube einer Vielzahl von Fischen und Amphibien. Flussauen halten nicht nur große Wassermengen zurück und helfen damit, Hochwasserwellen zu dämpfen, sie wirken dabei auch als äußerst effektiver Filter für Nährstoffe. Die Renaturierung von Auen durch Deichrückverlegungen und andere Maßnahmen kann daher dem Hochwasserschutz und zugleich einer ganzen Reihe von weiteren Zielen dienen.

Zustand der Flussauen in Deutschland

Im Oktober 2009 legte das Bundesamt für Naturschutz (BfN) den Auenzustandsbericht - Flussauen in Deutschland vor. Angesichts der herausragenden Bedeutung der Flussauen für die heimische Biodiversität und die großräumige Vernetzung von Lebensräumen, für die Fischfauna und den Stoffhaushalt der Flüsse ist diese bundesweit angelegte Bestandsaufnahme ein wirklicher Meilenstein.

Der Bericht bilanziert den Verlust von Überschwemmungsflächen an den großen Flüssen Deutschlands, der sich bundesweit auf rund zwei Drittel beläuft. Aufgrund von Hochwasserschutzmaßnahmen – in erster Linie Deichbauten – kann nur noch ein Drittel der ehemaligen Überschwemmungsflächen bei großen Hochwasserereignissen überflutet werden – an Rhein, Elbe, Donau und Oder sogar nur 10 bis 20 Prozent. Die Talräume eines Flusses, die vor menschlichen Eingriffen für Überflutungen erreichbar waren, werden als morphologische Aue bezeichnet. Der heute dauerhaft abgetrennte Anteil gilt als Altaue, der verbleibende Anteil (zwischen den Deichen) als rezente Aue.

Die Bewertung des Zustandes der rezenten Auen erfolgt analog zum System der Wasserrahmenrichtlinie in fünf Klassen und betrachtet den Grad der Veränderung gegenüber einem potentiell natürlichen Leitbildzustand anhand der Kriterien:

  • Morphodynamik, Auenrelief und Auengewässer
  • Hydrodynamik, Abfluss und Auengewässer
  • Vegetation und Flächennutzung

Die Bewertung verknüpft also Aussagen zum Grad der Abkopplung der Aue vom Überflutungsregime durch Gewässerausbau und/oder Hochwasserschutz und Überflutungspotential, zu Ausbaugrad, Profilierung und Aufstau (Staubauwerke sind jedoch nicht in der Karte verzeichnet) sowie zu Intensität und Art der Flächennutzung. In die zusammenfassende Bewertung gehen zusätzlich die Merkmale Rückstaubeeinflussung als Malus und der Wert zusammenhängender, naturnaher Auenstandorte, die "Konnektivität", als Bonus ein. Die Ergebnisse zeigen:

  • Bundesweit sind 54 Prozent der Flächen in den rezenten Flussauen weitgehend oder völlig von Überflutungen abgekoppelt (stark und sehr stark verändert).
  • Nur 10 Prozent der Auen befinden sich in einem guten ökologischen Zustand (nur ein Prozent sind sehr gering verändert und neun Prozent sind gering verändert), 90 Prozent sind deutlich bis sehr stark verändert.
  • Mäßig veränderte Auen, also rund ein Drittel, haben grundsätzlich das größte Potential für Renaturierungen

Als Fazit formuliert das BfN den dringenden Handlungsbedarf, den Flüssen wieder mehr Raum zu geben. Dies korrespondiert auch mit der zentralen Forderung "More space for living rivers" der europäischen Umweltverbände an die Umsetzung der WRRL. Das BfN mahnt an, die natürliche Dynamik und die ökologische Schwankungsbreite der Auen zu nutzen: "Intakte Auenlandschaften sind aufgrund ihrer Anpassung an wechselnde Wasserverhältnisse, die von Überschwemmungen bis zu trockenen Verhältnissen reichen, zur Abpufferung der Auswirkungen des Klimawandels (mögliche Häufung von Überflutungen und Niedrigwasserperioden) bestens geeignet." Um in den ersten Bewirtschaftungsplänen gemäß WRRL-Berücksichtigung zu finden, kam der Bericht allerdings zu spät.

Die Karte "Zustand der rezenten Flussauen" dokumentiert für Abschnitte von jeweils einem Kilometer die Bewertung der zwischen den Deichen liegenden überflutungsflächen jeweils für das rechte und das linke Ufer. Hier ein Ausschnitt im Bereich der Oberen und Mittleren Elbe. 

Verteilung der Bewertungsklassen für die rezenten Flussauen in Deutschland (Legende s. obige Karte). Quelle: BMU & BfN (2009)

Der Auenzustandsbericht kann kostenlos als Broschüre Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! bezogen werden und steht auf der Internetseite als PDF-Datei zum kostenlosen Download zur Verfügung.

Unter dem Titel "Flussauen in Deutschland – Erfassung und Bewertung des Auenzustands" werden die dem Bericht zugrundeliegenden Forschungsergebnisse in Heft 87 der BfN-Schriftenreihe "Naturschutz und Biologische Vielfalt" veröffentlicht.

 

Online-Kartendienst "Flussauen in Deutschland" des BfN

Der kostenlose Kartendienst "Flussauen in Deutschland" des Bundesamts für Naturschutz wurde im Juli 2012 auf www.bfn.de freigeschaltet. Die zu den Auen angezeigten Informationen geben unter anderem Aufschluss über Größe und Zustand der Auen sowie über Schutzstatus und Nutzung. Die Daten liefern auch eine Grundlage für den vorsorgenden Hochwasserschutz. Der Kartendienst bietet die Möglichkeit, für kleine Auenbereiche, aber auch für ganze Flüsse Informationen abzufragen und Karten zu erstellen. Aktuelle Luftbildaufnahmen lassen sich dazuschalten.

 

Ökosystemleistungen von Flussauen

Flussauen erfüllen eine Vielzahl von Funktionen im Naturhaushalt und für den Menschen. In der Studie "Ökosystemfunktionen von Flussauen", die im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz durchgeführt wurde, wurden für 79 Flüsse in Deutschland vier dieser Aspekte bilanziert: Hochwasserretention, Nährstoffrückhalt, Kohlenstoffvorrat und Treibhausgasemissionen sowie die Habitatfunktion. Die Ergebnisse wurden in Heft 124 der BfN-Schriftenreihe Naturschutz und Biologische Vielfalt veröffentlicht.

 

Relevanz der Wasserrahmenrichtlinie für Auen

Das Bundesamt für Naturschutz veröffentlichte im Juli 2003 ein Positionspapier zur "Relevanz der Wasserrahmenrichtlinie für Flussauen aus naturschutzfachlicher Sicht". Es ist zugleich der Zwischenbericht eines Forschungs- und Entwicklungsvorhabens an der südlichen Oberrheinniederung und der unteren Havelniederung.

Für die gemeinsamen Handlungsfelder von Naturschutz und Wasserwirtschaft bei der Umsetzung der WRRL werden naturschutzfachliche Empfehlungen gegeben. Hierzu gehören Kriterien zur Einbeziehung von Ufer- und Auenbereichen in die Ausweisung der Oberflächenwasserkörper und zur Notwendigkeit von Maßnahmen, wie der Wiederanbindung oder Strukturverbesserung der Auen. Schon bei der Beschreibung der Referenzbedingungen für einen Gewässertyp muss der gesamte Formenschatz der Aue berücksichtigt werden, sofern ein signifikanter Einfluss auf den Wasserkörper gegeben ist.
Auen sind demnach "insoweit Teil des Wasserkörpers, als ihnen direkt Bedeutung für die Ausprägung der biologischen Qualitätskomponenten zukommt, etwa als Laichplatz oder Lebensraum für Jungfische."

Kritisch sehen die Autoren die Empfehlungen der LAWA zur Beurteilung der Gewässerstruktur. Diejenigen Beeinträchtigungen der Hydromorphologie, die das Erreichen der Qualitätsziele für ein Gewässer gefährden, werden nach Maßgabe der LAWA-Arbeitshilfe nicht in ausreichendem Umfang ermittelt. Hier besteht Verbesserungsbedarf bei den Kartierverfahren. 

 

 

 

Die Hochwasserrichtlinie der Europäischen Union

Am 23. November 2007 ist die "Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken" (Richtlinie 2007/60) in Kraft getreten. 

Mit der Hochwasserrichtlinie sollen die Risiken und die nachteiligen Folgen von Hochwasser innerhalb der Europäischen Union verringert werden. Zunächst werden die Mitgliedstaaten die gefährdetsten Gebiete ermitteln. Dabei sind sie verpflichtet, für grenzüberschreitende Wasserläufe die Nutzung mit den anderen Mitgliedstaaten oder Drittländern abzusprechen. Nur nach vorheriger Absprache dürfen die Mitgliedstaaten Maßnahmen treffen, die das Hochwasserrisiko stromaufwärts oder stromabwärts erhöhen könnten. Die Einbeziehung der Bürger soll verbessert werden. Die Mitgliedstaaten sind zur Transparenz verpflichtet und müssen vorläufige Bewertungen des Hochwasserrisikos, Karten und Managementpläne öffentlich zugänglich machen.

Die Umsetzung der Hochwasserrichtlinie läuft in drei Phasen ab:

  • bis 2011: Bewertung des Hochwasserrisikos in den Flusseinzugsgebieten
  • bis 2013: Erstellung der Hochwassergefahrenkarten und Hochwasserrisikokarten durch die Mitgliedstaaten (mit Angaben zu den vermutlichen Pegelständen, den eventuell betroffenen wirtschaftlichen Tätigkeiten, der Zahl der gefährdeten Einwohner und den potenziellen Umweltschäden)
  • bis 2015: Ausarbeitung der Hochwasserrisikomanagementpläne (mit Maßnahmen zur Verringerung der Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Hochwasser und zur Minderung der Folgen). Sie sollen in erster Linie eine nicht vertretbare Flächennutzung, wie den Bau von Häusern in Hochwasserrisikogebieten, verhindern.

Zeitplan der Hochwasserrisikomanagementrichtlinie. Grafik: Kommunikatisten/GRÜNE LIGA

 

 

 

Umsetzung der Hochwasserrichtlinie in Deutschland

  • Hochwassergefahren- und -risikokarten
  • Links der Bundesländer zu den Hochwasser-Karten
  • Das Hochwasser-Informationssystem ZÜRS der Versicherungswirtschaft

Die Hochwasser-Richtlinie wurde mit Wirkung vom 1. März 2010 im Abschnitt 6 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) umgesetzt. Hochwasserrisiko ist laut WHG die "Kombination der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Hochwasserereignisses und der hochwasserbedingten potenziellen nachteiligen Folgen auf die menschliche Gesundheit, die Umwelt, das Kulturerbe und wirtschaftliche Tätigkeiten". Die vorläufige Bewertung des Hochwasserrisikos in den Flussgebietseinheiten gemäß § 73 WHG ist bundesweit abgeschlossen, die Bundesländer haben ihre Berichte veröffentlicht und nach Brüssel gemeldet. Diese Berichte enthalten Übersichtskarten und -tabellen der Gewässer bzw. Gewässerstrecken, die signifikant von Hochwasserrisiko betroffen sind. Damit sind die Gebietskulissen festgelegt, für die in der Folge Karten und Pläne erstellt werden. Hierzu hat die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) im Jahr 2010 Empfehlungen verabschiedet.

Hochwassergefahren- und -risikokarten

Die Hochwassergefahrenkarten bilden eine Grundlage für die Ausweisung von Überschwemmungsgebieten nach § 76 WHG und wirken damit mittelbar auf die gemeindliche Bauleitplanung. Außerdem stellen sie eine Grundlage dar für die Ausweisung von Vorranggebieten und Vorbehaltsgebieten für Hochwasserrückhalt und Hochwasserschutz in regionalen Raumordungsplänen, die für die Bauleitplanung verbindlich sind. Nicht zuletzt sind sie eine Planungsgrundlage für die Reaktivierung von Retentionsräumen und Entscheidungsgrundlage in wasserrechtlichen Verfahren.

Im Zuge der Erarbeitung der Hochwasserrisikokarten sollen die von Hochwassergefahr betroffenen Einwohnerzahlen, Flächennutzungen und Standorte von Industrieanlagen sowie Schutzgebiete und Kulturgüter ermittelt und dargestellt werden. Gemäß Empfehlung der LAWA sollen beide Arten von Karten drei Hochwasserszenarien darstellen (häufiger, 100jährlich, extrem), vorzugsweise im Maßstab 1:2.500 bis 1:10.000. Für die Gefahrenkarten wird eine unterschiedliche Kennzeichnung für Gebiete ohne technischen Hochwasserschutz (mit gelben und roten Farbtönen) und für geschützte Gebiete (in blauen Farbtönen) empfohlen. Für die Überflutungstiefen sollten die Klassengrenzen 0 m, 0,5 m, 1 m, 2 m und 4 m verwendet werden.

Zu den Hochwasserrisikomanagementplänen, die bis Ende 2013 fertigzustellen sind, skizzieren die LAWA-Empfehlungen steckbriefartig mögliche Maßnahmen. Die Maßnahmenpalette umfasst Flächenvorsorge, natürlichen Wasserrückhalt, technischen Hochwasserschutz, Bauvorsorge, Risikovorsorge, Informationsvorsorge, Verhaltensvorsorge, Vorhaltung und Vorbereitung der Gefahrenabwehr und des Katastrophenschutzes, Hochwasserbewältigung und Regeneration. Unter dem Handlungsbereich natürlicher Wasserrückhalt wird die Verbesserung der natürlichen Rückhaltung auf land- und forstwirtschaftlichen Flächen im Einzugsgebiet und die Wiedergewinnung von Überschwemmungsgebieten in den Talbereichen verstanden.

 

Links der Bundesländer zum Hochwasserrisikomanagement

Bundesland

Bemerkung

Baden-Württemberg

Interaktive Gefahrenkarte
 

Bayern

Interaktive Karte für überschwemmungsgefährdete Gebiete
Risiko- und Gefahrenkarten, PDF
 

Berlin

Risiko- und Gefahrenkarten, PDF
 

Brandenburg

Interaktive Gefahren- und Risikokarten
 

Bremen

Interaktive Karten
 

Hamburg

Interaktive Gefahren- und Risikokarten
 

Hessen

Interaktive Karte für Überschwemmungsgebiete
 

Mecklenburg-Vorpommern

Interaktive Karten für Überflutungsflächen

Niedersachsen

Interaktive Karten
 

Nordrhein-Westfalen

Interaktive Gefahren- und Risikokarten
 

Rheinland-Pfalz

Interaktive Karten
 

Saarland

Interaktive "Hochwasserkarte" mit Risiko- und Gefahrenkarten, PDF
 

Sachsen

Interaktive Karten
 

Sachsen-Anhalt

Überschwemmungsgebiete, PDF
 

Schleswig-Holstein

Interaktive Risiko- und Gefahrenkarten
 

Thüringen

Interaktive Risiko- und Gefahrenkarte
 

 

Das Hochwasser-Informationssystem ZÜRS der Versicherungswirtschaft

In Hinsicht auf das Risikobewusstsein und die Eigenvorsorge liefert das "Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen" (ZÜRS) der Versicherungswirtschaft eine beachtenswerte Informationsquelle: Dort sind – bislang für Sachsen und für Niedersachsen – flächendeckende Karten abrufbar, die über die Hochwassergefährdung von Gebäuden informieren.

 

 

 

Das Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes von 2005

  • Das Artikelgesetz von 2005
  • Die Handlungsempfehlungen der LAWA

Das Artikelgesetz von 2005

Die Hochwasserereignisse des Jahres 2002, vor allem die Elbeflut, waren Anlass für eine ausführliche Diskussion und Neuausrichtung des Hochwasserschutzes, die 2005 im Artikelgesetz zum vorbeugenden Hochwasserschutz Niederschlag fand. Bei der am 15.09.2002 in Berlin gemeinsam mit den Bundesländern unter Beteiligung der Umweltverbände durchgeführten Flusskonferenz zum vorbeugenden Hochwasserschutz verabschiedete die Bundesregierung ein vielversprechendes 5-Punkte-Programm:

1. Gemeinsames Hochwasserschutzprogramm von Bund und Ländern
2. Länderübergreifende Aktionspläne – Internationale Fachkonferenz
3. Europäische Zusammenarbeit voranbringen
4. Flussausbau überprüfen – Schifffahrt umweltfreundlich entwickeln
5. Sofortmaßnahmen zum Hochwasserschutz

 

Im Jahr 2005 wurde das Wasserhaushaltsgesetz durch das Artikelgesetz zum vorbeugenden Hochwasserschutz geändert. Hierdurch wurden Vorgaben zum Hochwasserschutz ins WHG aufgenommen, die auch explizit die naturnahe Gewässer- und Auenentwicklung beinhalten. §31b WHG trifft Regelungen zu Überschwemmungsgebieten. "Die Länder erlassen für die Überschwemmungsgebiete, die dem Schutz vor Hochwassergefahren dienenden Vorschriften, soweit dies erforderlich ist:
1. zum Erhalt oder zur Verbesserung der ökologischen Strukturen der Gewässer und ihrer Überflutungsflächen,
2. zur Verhinderung erosionsfördernder Maßnahmen,
3. zum Erhalt oder zur Gewinnung, insbesondere Rückgewinnung von Rückhalteflächen (...)".

Wesentliche Inhalte des geänderten WHG sind die neu eingefügten Grundsätze des Hochwasserschutzes und die Regelungen zu Überschwemmungsgebieten, insbesondere das Neubauverbot, das Ackerbauverbot und Ackerbaueinschränkungen sowie das Verbot der Errichtung neuer Ölheizungsanlagen in überschwemmungsgefährdeten Gebiete sowie zu Hochwasserschutzplänen.

Durch das Artikelgesetz wurden auch Änderungen im Baugesetzbuch und im Raumordnungsgesetz sowie im Bundeswasserstraßengesetz und dem Gesetz über den Deutschen Wetterdienst vorgenommen. Die Änderungen im BauGB beinhalten u.a., dass die Belange des Hochwasserschutzes als berücksichtigungspflichtiges Kriterium in der Bauleitplanung gelten, dass festgesetzte Überschwemmungsgebiete nachrichtlich in die Flächennutzungs- und Bebauungspläne zu übernehmen sind und dass überschwemmungsgefährdete Gebiete in den Plänen vermerkt werden.

 

Die Handlungsempfehlungen der LAWA

Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) hat bereits im Jahr 1995 Leitlinien für einen zukunftsweisenden Hochwasserschutz und im Jahr 2003 Handlungsempfehlungen für deren Umsetzung erarbeitet, in denen die Kopplung mit gewässerökologischen Zielen einigen Raum einnimmt. Ein Beschluss der Agrarministerkonferenz / Umweltministerkonferenz vom 13. Juni 2003 in Potsdam lautet: "Die AMK/UMK halten es für erforderlich, neben technischen Hochwasserschutzmaßnahmen (...) verstärkt Maßnahmen zur Verbesserungen des natürlichen Hochwasserrückhaltes und der Flächenvorsorge sowie zur Gewässerrenaturierung und -entwicklung zu ergreifen. Ziel ist es, die Wasserrückhaltung in der Fläche und in den Flusstälern im Sinne eines nachhaltigen, vorbeugenden Hochwasserschutzes weiter zu verbessern."

 

 

Konflikte zwischen Hochwasserschutz und Naturschutz in Sachsen

  • Hochwasserdynamik naturnaher Gewässer
  • Wasserrückhalt in der Fläche – ein unterbelichtetes Handlungsfeld?
  • Neue Rückhaltebecken gefährden FFH-Gebiete 
  • Öffentlichkeitsbeteiligung einfordern
  • Potentiale für Deichrückverlegungen nutzen
  • Die GRÜNE LIGA begrüßt richtungsweisenden Erlass zum Hochwasserschutz in Sachsen

Sachsen war als einziges Bundesland in den letzten zehn Jahren nahezu flächendeckend von Hochwasserereignissen betroffen. Seit der Elbeflut 2002 lässt das Thema Hochwasser die Menschen nicht mehr los. Der Freistaat hat in dieser Zeit mit großer Intensität den Hochwasserschutz vorangetrieben und investiert Milliardensummen. Nicht selten gerät der technische Hochwasserschutz in Konflikt mit Zielen von Gewässer- und Naturschutz. Die GRÜNE LIGA widmete diesem Thema im November 2012 ein ganztägiges Seminar in Dresden, bei dem eine Reihe von kritischen Fällen thematisiert wurde.

Zur sächsischen Hochwasserschutz-Strategie zählen u.a. die Verbesserung der Informations- und Warnsysteme mit online abrufbaren Wasserständen und Durchflüssen, die enge Zusammenarbeit mit Tschechien und die Einrichtung von Wasserwehren in nahezu allen Kommunen. Landesweit sind 347 Überschwemmungsgebiete festgesetzt, die entlang von 3.800 Flusskilometern insgesamt 65.000 Hektar umfassen. Zwischen 2002 und 2005 wurden landesweit insgesamt 47 Hochwasserschutzkonzepte erarbeitet. Das Investitionsvolumen für die Umsetzung der geplanten Maßnahmen beträgt annähernd zwei Milliarden Euro.

Hochwasserdynamik naturnaher Gewässer

Kleinere Hochwasser beeinflussen Uferstrukturen und lagern innerhalb des Flussbettes Geschiebe um. Die Kraft von größeren Hochwasserereignissen gestaltet die Landschaft, bricht Ufer am Steilhang ab, spült Kolke aus, schüttet Kies-, Sand- und Schlammbänke auf, verlagert Flüsse und lässt neue Altwässer entstehen. Ohne die prägende Strömungsdynamik bleiben Erosion und Umlagerung von Sediment aus, typische Pionierlebensräume verschwinden.

Beim Hochwasser der Elbe und ihrer Nebenflüsse im Jahre 2002 entstand – neben den immensen Schäden an Häusern, Straßen und Infrastruktur – auch eine Vielzahl naturnaher Strukturen in Sachsens Flüssen. Nach der Elbeflut bestand an zahlreichen sächsischen Gewässern durchaus die Chance, Flächen für derartige Strukturen zu sichern. Sie wurde weitgehend vertan, die meisten der neuen Strukturelemente "repariert" oder noch naturferner als vor dem Hochwasser verbaut.

Auch bei den seither aufgetretenen Hochwassern lief es oft nicht besser. Entlang der Neuen Luppe, dem bedeutendsten Auenbereich im Nordwesten Leipzigs, wurden nach einem Hochwasserereignis im Januar 2011 auf 30 ha Fläche mehr als 6.500 Bäume an und auf den Deichen gefällt, darunter auch über 200 Jahre alte Eichen. Auch die begleitende Neuanlage von Deichverteidigungswegen sowie die abschnittsweise Neudimensionierung der Deiche wurde ohne förmliches Verfahren und ohne Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt. In der Nordwestaue liegt das Gebiet mit hohem Potential für Deichrückbau und Wiedervernässung. Die 2011 realisierten Maßnahmen schneiden den Auwald dauerhaft von der natürlichen Überflutungsdynamik des Flusses ab.

Wasserrückhalt in der Fläche – ein unterbelichtetes Handlungsfeld?

Als einziges Bundesland hat Sachsen im Wassergesetz Regelungen zu Hochwasserentstehungsgebieten vorgenommen (§100b SächsWG), die den Bau neuer Straßen, bauliche Anlagen und Versiegelungen im Außenbereich (ab 1.000m²) sowie die Umwandlung von Grünland und Wald in Ackerland unter den Genehmigungsvorbehalt der Wasserbehörden stellen. Eine Reihe von Agrarumweltmaßnahmen leistet auch einen Beitrag zur Erhöhung der Infiltration und zum Wasserrückhalt in der Fläche. Gerade die Rolle der landwirtschaftlichen Flächen in Hochwasserentstehungsgebieten ist aber ein bedeutender Streitpunkt. Die großflächigen Dränagen auf den Ackerflächen sowie zerstörte Quellbereiche und kleinflächige Feuchtlebensräume werden im Rahmen der Hochwasserstrategie nicht adressiert.

 

Neue Rückhaltebecken gefährden FFH-Gebiete 

Die Gefährdung von Natura 2000-Gebieten an Gewässern illustriert der Konflikt an der Bobritzsch, die als einziger weitgehend naturnaher, unverbauter Flusslauf ohne Abflussregulierung im Erzgebirge gilt. Zwei geplante Rückhaltebecken drohen hier das Abflussregime zu überformen, da bereits bei für häufige Ereignisse (HQ5 bzw. HQ2) ein Einstau vorgenommen werden soll. Einige vom Naturschutzverband Sachsen e.V. erworbene Flächen im Oberlauf, die seit den 1990er Jahren durch zahlreiche Maßnahmen ökologisch aufgewertet wurden, liegen im geplanten Einstaubereich des Beckens bei Oberbobritzsch. Die Ziele einer naturnahen Gewässer- und Auendynamik sowie der Durchgängigkeit, die für die Meldung des Natura 2000-Gebietes maßgeblich waren, wurden als Begriffe nicht in die Anfang 2011 in Kraft getretene Grundschutzverordnung für das Gebiet aufgenommen und waren daher nicht mehr Gegenstand der Prüfung im Planfeststellungsverfahren.

 

Öffentlichkeitsbeteiligung einfordern

Die Planung einer 2,10m hohen, den Blick auf die Elbe versperrenden Hochwasserschutzmauer im Dresdner Stadtteil Laubegast rief Kritik in der Bevölkerung hervor, die in der Gründung einer Bügerinitiative mündete. Letztlich wurden in einem aufwändigen, professionell moderierten Beteiligungsverfahren mehrere Werkstatttreffen, Diskussionsabende und Bürgerbefragungen durchgeführt, die den Weg für eine kompromissfähige Alternative zur Ufermauer ebneten. Noch offen ist allerdings, inwieweit diese Lösungen beim weiteren Planungsfortschritt berücksichtigt werden.

 

Potentiale für Deichrückverlegungen nutzen

Die sächsische Regierung hatte 2010 eine Kulisse von 7.500 ha für Deichrückverlegungen und Schaffung von Flutungspoldern vorgeschlagen, die sich auf 49 Maßnahmen verteilen. Aus der Antwort der Landesregierung vom August 2012 auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen geht jedoch hervor, dass nur noch 34 Maßnahmen mit etwa 5.000 Hektar Überschwemmungsfläche verfolgt werden, davon überwiegend ökologisch weit weniger günstige Polderlösungen. Realisiert wurden seit 2002 erst zwei Maßnahmen mit zusammen 111 Hektar – dies entspricht lediglich 1,5 Prozent der ursprünglich avisierten neuen Überschwemmungsflächen.

Das WWF-Aueninstitut kritisiert in seiner 2012 von der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen in Auftrag gegebene Studie zur ökologischen Überprüfung der Hochwasserschutzstrategie des Freistaates Sachsen: "Die langfristige Festlegung der Überflutungsverhältnisse in den Altauen durch die gewaltigen Investitionen in die Hochwasserschutzkonzepte muss vor der Umsetzungsplanung auf landesweiter Ebene durch eine umfassende naturschutzfachliche Planung begleitet werden." Bislang sei "keinerlei ökologische Beurteilung der mittelbaren und unmittelbaren Auswirkungen der Maßnahmen zu finden".

Aktuell sind an Sachsens Flüssen zwei Drittel der Auen durch Deiche abgetrennt. In der Studie wurden 34 Vorschlagsflächen für Deichrückverlegungen ermittelt, die insgesamt 9.430 ha umfassen und die bestehende Deichlinie um ca. 23 km verkürzen würden.

 

Die GRÜNE LIGA begrüßt richtungsweisenden Erlass zum Hochwasserschutz in Sachsen

Mit dem Erlass vom 12. Juli 2013 verfügt das Sächsische Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft, dass die Beseitigung von Hochwasserschäden in "nachhaltiger" Weise zu erfolgen hat, damit diese Schäden bei zukünftigen Hochwassern nicht in dem gleichen Ausmaß entstehen. Dabei ist es geradezu revolutionär, wie das Ministerium diese nachhaltige Schadensbeseitigung definiert:

  • Veränderte Gewässerbetten sind in ihrem durch das Hochwasser geschaffenen Zustand zu erhalten, Ufermauern sind nicht wiederherzustellen
  • In Gewässerrandstreifen sind abflusshindernde Strukturen und Anlagen ebenfalls nicht wiederherzustellen
  • Anlagen in, an, unter und über oberirdischen Gewässern, die zur Verschärfung der Hochwassersituation beigetragen haben, dürfen allenfalls in hochwasserangepasster Form wiederhergestellt werden
  • Bei öffentlichen Hochwasserschutzanlagen sind Alternativen zu einer 1:1 Wiederherstellung zu püfen
  • In überschwemmungsgefährdeten Gebieten sollten bauliche Anlagen nur risikoangepasst wiederhergestellt werden

Auch wenn diese Forderungen im Detail Ausnahmeregelungen enthalten, sind sie doch ein Bruch mit der bisherigen Hochwasserschutzpolitik im Freistaat Sachsen. Nach der großen Flut 2002 investierte der Freistaat mehrere hundert Millionen Euro in den Hochwasserschutz. Dieses Investitionsprogramm ist noch nicht abgeschlossen und wird am Ende ein Finanzvolumen von über einer Milliarde Euro haben. Laut Auskunft der Landesregierung flossen bisher mehr als 99 Prozent dieser Gelder in Anlagen des technischen Hochwasserschutzes, sprich Ufermauern, höhere Dämme, große Wasserspeicher, Reparaturen an Wehranlagen – alles Maßnahmen, die die Flüsse weiter einengen und letztendlich die Hochwassergefahren verschärfen.

Die GRÜNE LIGA wirbt gemeinsam mit anderen sächsischen Naturschutzverbänden seit 2002 für einen Hochwasserschutz, der den Flüssen mehr Raum gibt, der den Wasserrückhalt in der Fläche stärkt und der Quer- und Längsverbauungen aus den sächsischen Flüssen entfernt. Jörg Urban, Geschäftsführer: "Ein solcher Hochwasserschutz würde gleichzeitig die sächsischen Flüsse als Vernetzungsbiotope stärken. Flüsse sind die Adern der Natur – mit ihren Gewässerkörpern und Flussauen verbinden sie verschiedene Landschafträume und Biotope. Aus genau diesem Grund sind fast alle sächsischen Flüsse Teil des Schutzgebietsnetzwerkes NATURA 2000."

Der aktuelle "Wiederaufbau-Erlass" eröffnet Möglichkeiten, zerstörte Längs- und Querverbauungen aus den Flüssen zu entfernen. Bei einer konsequenten Umsetzung dieser "Nachhaltigen Beseitigung von Hochwasserschäden" hätte Staatsminister Kupfer für den Hochwasserschutz und für den Naturschutz in Sachsen mehr erreicht als alle seine Vorgänger. Die GRÜNE LIGA wird die Umsetzung des Erlasses auf Landkreisebene begleiten, damit nicht ein Großteil der Chancen in den Verwaltungsebenen verpufft.

 

 

 

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